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Unter dieser Überschrift (übernommen aus einer Werbeschrift eines sächsischen Schaubergwerks) gibt es auf den nächsten Seiten eine gruselige Zusammenstellung von Möglichkeiten, sich bei bergbauhistorischen Arbeiten auf biologischem, chemischen oder physikalischem Wege um die Gesundheit zu bringen, die zahlreichen rein mechanischen Varianten vom Steinschlag über’s Ersaufen bis zum Absturz schon ausgeklammert. Die Aufzählung soll weder Lebensmüde zur Befahrung ermuntern noch wollen wir die Befahrer als besonders harte Truppe rausstreichen.

Damit Gefahren überwunden werden können, muß man sie kennen - dazu ist der Abschnitt da. Seine Grenzen muß jeder selbst ziehen. Wer beim ersten Geruch nach Schwefel ausreißt, flieht vielleicht nur den Mundgeruch seines Vordermanns. Den Autoren ist jedenfalls kein Fall bekannt, in dem die Gefahren dieses Abschnitts zu ernsten Problemen geführt hätten, von leichtem Erbrechen mal abgesehen. Solche Warnsignale des Körpers kommen zeitig genug, dann wollen sie aber auch ernst genommen werden!

7.1 Gase
7.1.1 Methan

Die im Kohlebergbau gefürchteten schlagenden Wetter (explosive Gas-Luft-Gemische) werden hauptsächlich durch Methan verursacht. Chemisch reines Methan (CH4) ist ein farb- und geruchloses Gas mit etwa der 0,56 fachen Luftdichte. Methan entzündet sich bei 600°C, Gemische mit Luft sind zwischen 5 Vol.-% und 15 Vol.-% Methan explosiv [8]. Im Erzbergbau speziell des Erzgebirges sind Schlagwetter durch Methan eher nicht zu befürchten, obwohl das Auftreten von brennbaren Gasansammlungen und der Austritt entzündlicher Gase aus Klüften als Kuriosum auch aus dem sächsischen Erzbergbau belegt ist: bei einer Grube in Sosa (südlich von Schneeberg in Sachsen) wurde eine mit faulem Laub und Holz gefüllte Schachtpinge von unten her aufgewältigt und dabei Wasser abgelassen, in dem wahrscheinlich Methan gelöst war. Es kam unter Tage in der zur Pinge führenden Strecke zu Verpuffungen und Feuererscheinungen, Schaden entstand keiner [21]. Eine weitere mögliche Quelle für Methan ist die Zersetzung organischen Materials, hauptsächlich von Ausbauhölzern - Methan ist auch der Hauptbestandteil von Sumpfgas. Die methanogenen Archaebakterien bevorzugen jedoch Temperaturen über 30°C, wie sie im sächsischen Altbergbau selten sind. Entstandenes Methan nimmt aufgrund seiner geringeren Dichte - im Gegensatz zum Beispiel zu Kohlendioxid - gut am Wetterwechsel teil und ist schließlich gesuchtes „Futter“ für methanotrophe Bakterien. So ist noch kein Fall bekannt geworden, wo sich im sächsischen Altbergbau zündfähige Methan­konzentrationen bilden konnten. Immerhin sollte man die Möglichkeit im Hinterkopf behalten.

Etwas anders stellt sich die Gefährdung durch schlechte oder schlagende Wetter in den Schiefergruben Thüringens und dem Erzbergbau in graphitführenden Schwarzschiefern dar, durch den „Kohle-” Gehalt der Schiefer und die Vererzung des Gesteins mit Pyrit liegt das Auftreten schlagender und matter Wetter oder gefährlicher Schwefelwasserstoff­ansammlungen durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen. Eine Befahrung sollte hier nur mit entsprechender Vorsicht (Mitführen einer Wetterlampe und Verwendung ex-geschützten elektrischen Geleuchts) erfolgen. Dasselbe gilt natürlich auch für alle Gruben des Kohlebergbaus!

Weitere Hinweise für das Feststellen von Methan gibt’s im Kapitel 9.1.

7.1.2 Kohlendioxid

Abbildung 47: Bildung eines Kohlendioxidsees hinter einem Verbruch

 

Kohlendioxid, CO2, wird landläufig als „Kohlensäure“ bezeichnet, obwohl die Säure streng genommen erst nach der Lösung des Gases in Wasser vorliegt. Es handelt sich um ein farbloses, unbrennbares und geruchloses Gas mit knapp der 2-fachen Luftdichte. Im berg­männischen Sprach­gebrauch spricht man von kohlendioxidreicher Grubenatmosphäre als von „Stickluft“ oder matten Wettern. Im Altbergbau können höhere Konzentrationen als in der Atmosphäre über Tage entstehen, zunächst durch die Ansammlung des spezifisch schwereren Kohlendioxids in Bauen, aus denen es nicht abfließen kann (zum Beispiel hinter Verbrüchen, Abbildung 47) und in denen keine Wetterbewegung stattfindet.

Eine weitere Quelle von CO2 ist die chemische Umsetzung von Karbonaten wie Kalkspat, mit den aus der Zersetzung sulfidischer Erze unter Einfluß der Luftfeuchtigkeit freiwerdenden Säuren oder auch Huminsäuren aus durchtretenden Oberflächenwässern, auch Abwetter werden bisweilen in aufgelassene Baue geblasen. Hinweise auf einen von anderen Orten bekannten direkten Austritt von CO2 aus dem Gesteinskörper liegen aus der sächsischen Erzgebirge derzeit nicht vor.

Abbildung 48: Form der Karbidflamme bei stark erhöhter CO2-Konzentration

Die optimale Flammenform vergleiche in Abbildung 51

Gasförmiges Kohlendioxid ist nicht eigentlich giftig (MAK (maximal zulässige Arbeitsplatzkonzentration) 9000 mg/m3), doch kann es in größeren Mengen durch Verdrängung des Sauerstoffs erstickend wirken. Dabei ist der Mensch relativ unempfindlich gegenüber Sauerstoff-Konzentrationsschwankungen, eine Verringerung des O2-Gehaltes der Luft um 25 % wird kaum empfunden, und selbst kleinste Außenluftraten von 0,36 m³/h reichen zur Deckung des Sauerstoffbedarfs einer Person aus. Kohlendioxid wirkt also nicht durch die Verdrängung des Sauerstoffs der Luft, sondern es blockiert den Gasaustausch in der Lunge zwischen Blut und Umgebungsluft. Der Mensch erträgt bis zu 2,5 % Kohlendioxid auch bei stundenlanger Einatmung ohne große Schädigung. Anteile von 8 % bis 10 % Kohlendioxid rufen Kopfschmerzen, Schwindel, Blutdruckanstieg und Erregungszustände, solche über 10 % Bewußtlosigkeit, Krämpfe und Kreislaufschwäche und die über 15 % Lähmungen hervor. Geringere Kohlendioxid-Mengen üben einen starken Reiz auf das Atemzentrum aus, so daß die Atmung beschleunigt und vertieft wird. So atmet der Mensch bei einem Kohlendioxid-Gehalt von 3% je Min. 6,5 l, bei 5% 12 l und bei 7% sogar nahezu 22 l Luft ein (Hyperventilation) [8]. Dauergähnen und ein plötzlicher Anstieg der Atemfrequenz, verbunden mit starkem Wärmegefühl und Schwitzen, sind die in der Praxis auffälligsten Merkmale für eine mit CO2 angereicherte Atmosphäre. Ein weiteres Anzeichen ist ein leicht verlöschendes offenes Geleucht, bei steigender Konzentration verändert sich Flammenform wie in Abbildung 48 dargestellt. Treten diese Symptome auf, sollte man größte Vorsicht walten lassen, sich gegenseitig kontrollieren und bei Verstärkung der Symptome umkehren, da fortschreitendes Einatmen zur Handlungsunfähigkeit und damit zum Verbleib in der verseuchten Luft führen kann - bei einem körperlichen Zusammenbruch können dann die höheren Konzentrationen am Boden den Rest geben. Wird auf einer Befahrung plötzlich jemandem schlecht, sind matte Wetter immer mit zu verdächtigen und entsprechende Beobachtungen durchzuführen! Wie beim Brunnenbau üblich, seilt man sich daher beim Abstieg in Schächte, in denen das Auftreten schlechter Wetter möglich ist, an, auch wenn man nicht klettern muß. Mehrere Befahrer bleiben oben, um im Notfall den Hinuntergestiegenen wieder herausziehen zu können. Kippt der erste um, wird nicht hinterher gefahren, solches Tun ist nämlich schon manchen zum Verhängnis geworden - der Totengräber hatte nach solcher Aktion nicht nur einen Kunden!

7.1.3 Schwefelwasserstoff, Schwefeloxide, Stickoxide

Schwefelwasserstoff, Hydrogensulfid H2S, ist ein im Altbergbau häufig anzutreffendes Gas, welches durch seinen Geruch nach faulen Eiern nachdrücklich auf seine Existenz hinweist (in Wirklichkeit riechen faule Eier nach Schwefelwasserstoff!). Es handelt sich um ein farbloses, brennfähiges und stark giftiges Gas. Zwischen 4,3 und 45,5 Volumenprozent bildet H2S mit Luft explosionsfähige Gemische, die Zündtemperatur liegt bei nur 270° [8]. Das Gas entsteht einmal bei Abbauprozessen organischer Stoffe (Grubenhölzer!), deren schwefelhaltige Aminosäuren der Eiweißstoffe von Fäulnis- und besonders Schwefelbakterien zersetzt werden, zum anderen werden bei der Zersetzung sulfidischer (schwefelhaltiger) Erze Schwefelverbindungen frei, die auch auf anorganischem Weg zur Bildung von H2S führen können.

Für Organismen ist Schwefelwasserstoff fast ebenso giftig wie Blausäure, die chemisch ähnlich gebaut ist und auf dem gleichen Weg wirkt - das Hämoglobin wird blockiert, dadurch die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn unterbunden und somit das Atmungszentrum ausgeschaltet. Der MAK-Wert liegt bei 15 mg/m3. Luft, die nur 0,035% Schwefelwasserstoff enthält, wirkt bei längerer Einatmung lebensgefährlich, Luft mit mehreren Prozent H2S ist innerhalb weniger Sekunden tödlich [8].

Die Geruchsschwelle liegt sehr niedrig (0,1 ppm=0,15 mg/m3), also bei 1 % des MAK-Wertes, und ist ein zuverlässiger Indikator lange vor der Schädigungsgrenze. Doch tritt bei höheren Konzentrationen Abstumpfung ein, so daß die Gefahr nicht mehr wahrgenommen wird. Daher besondere Vorsicht an Stellen, an denen ein wahrgenommener Geruch nach Schwefelwasserstoff scheinbar wieder schwindet, obwohl sich die Verhältnisse in der Strecke nicht ändern! Als Merkzeichen kann hier beispielsweise die mehrfach aufgefallene Erscheinung dienen, daß in Strecken mit hoher H2S - Belastung die Nägel im Wasser befindlicher Fahrungsbretter weggefressen sind und der Schlamm schwarz ist, während dies in Strecken ohne H2S-Belastung in der Regel nicht der Fall ist. Vergiftungen mit kleineren Mengen Schwefelwasserstoff führt zu Schwindel, taumelndem Gang, Atemnot und nervösen Erregungszuständen, was noch bewußt registriert wird und als äußerstes Alarmsignal gelten sollte. Als Sofortmaßnahme bei einer vermuteten Vergiftung im Altbergbau kommt nur die rasche Überführung in frische Luft und dort eventuell künstliche Beatmung in Frage.

Bei der Verwitterung sulfidischer Erze (Arsenkies, Pyrit usw.) entstehen Schwefeloxide, der Sauerstoff wird verbraucht. An solchen Stellen riecht es intensiv „nach Schwefel”. Man sollte solche Stellen möglichst schnell passieren, da sich die Schwefeloxide, wenn auch eigentlich nicht giftig, mit der Lungenfeuchte zu Säuren umsetzen und in hohen Konzentrationen einiges Unheil anrichten kann.

Wesentlich gefährlicher, wenn auch auf dem selben Wege wirkend, sind übrigens Schießgase (die durch die chemische Umsetzung der Sprengstoffe entstehenden Gase), die verschiedene nitrose Gase (Stickoxide, Oxide des Stickstoffs) enthalten. Die bei der Umsetzung mit Wasser entstehenden Säuren sind viel stärker als schweflige Säure und wirken nicht nur sofort, sondern auch noch lange nach der Einwirkung zersetzend auf die Lunge. Nebenbei sind sie noch narkotisierend (Lachgas).

7.2 Grubenwässer und Stäube

Neben den Gasen (mancher wird das Radon vermißt haben, keine Sorge, das kommt weiter unten) gibt es noch andere Möglichkeiten, Stoffe aus dem Bergwerk in den Körper aufzunehmen: durch Dreck auf den Schnitten, durch das Saufen von Grubenwässern, durch kleine offene Wunden, in geringen Mengen durch die Haut und mit der Luftfeuchte oder Spritzwasser inhaliert über die Lungen. Die Aufzählung zeigt schon, daß auf den meisten Wegen nur sehr geringe Mengen übertragen werden können und sich der Rest einfach unterbinden läßt. Das Kapitel braucht man eigentlich nur der Vollständigkeit halber lesen, um zu wissen warum.

7.2.1 Grubenwässer und Stäube: Anorganische Stoffe

In den meisten Fällen zielte der sächsische Bergbau auf die Gewinnung von Metallen, deren Name sich ja auch vom griechischen „metallon“, Bergwerk, herleitet. Daneben betrieb man auch Bergbau auf Kaolin, Kalk, Kohle oder Flußspat und weitere nichtmetallische Verbindungen. In allen Fällen wird der gewachsene Gesteinsverband verletzt, und die Oberfläche der Grubenbaue wird mit Bedingungen konfrontiert, von denen sie vorher verschont blieb: Luftsauerstoff, Luftfeuchte, stehende Grubenwässer, in denen Bakterien das Grubenholz über eine Reihe von Zwischenschritten unter der Produktion von Essigsäure, Methan, Alkohol und Kohlendioxid zersetzen. Aus der durchwachsenen Humusschicht über Tage fließen Huminsäuren und konzentrierte Kohlensäure in großen Mengen durch Mikrorisse im Gestein hindurch, wo vorher nur eine langsame Zirkulation möglich war. Mit den Wässern werden wiederum organische Abfallstoffe eingeschwemmt, die neben dem Grubenholz Nährboden für Pilze sind, welche die abartigsten chemischen Verbindungen bilden und anreichern können und deren Fruchtkörper und Myzelfäden bei der Erweiterung von Mikrorissen kräftig mitwirken. So wird der Gesteinsverband angegriffen, eine Reihe der vorliegenden Verbindungen zersetzt sich. Besonders stark sind davon sulfidische Erze betroffen: Pyrit, Markasit, Chalkopyrit, Arsenopyrit (Arsenkies), Galenit (Bleiglanz). Neben den enthaltenen Metallen beziehungsweise deren Oxiden und sonstigen Verbindungen gehen auch die nichtmetallischen Bestandteile zum Teil in Lösung: es bilden sich verschiedene Säuren, schwer lösliche Bestandteile fallen wieder aus... Kurz, im Grubenwasser braut sich ein Cocktail aus chemischen Verbindungen zusammen, und mehr als jedes versalzene Quellwasser haben Grubenwässer den Anspruch auf die Bezeichnung Mineralwasser.

Die meisten dieser Verbindungen und Elemente sind einerseits als Körperbaustoffe und Spurenelemente nötig, haben aber bei exzessiven Genuß ihre Nebenwirkungen. Besonders verrufen sind die Schwermetalle und sonstigen Nebengruppen­elemente. Eine Reihe von Metallen steht zudem im Verdacht, krebsauslösend und erbgutverändern zu sein [8].

Die Grenzwerte für Schwermetalle in Trinkwasser (in mg/l) sind gesetzlich festgesetzt worden: As (0,04), Pb (0,04), Cd (0,006), Cr (0,05), Hg (0,004), Zn (2) und werden in Grubenwässern meist übertroffen [8]. Eine Reihe von Metallen, die im sächsischen Altbergbau häufig angetroffen werden, ist durch die typische Färbung zu erkennen, die sie Schlämmen und Sinterbildungen verleihen, vergleiche Kapitel 5.1.2.

Dagegen sind Gefährdungen durch Gesteinsstäube, wie Silikose oder durch uranhaltigen Quarzstaub mitverursachter Lungenkrebs, für die bergbauhistorische Forschung nicht typisch, da die relative Luftfeuchte meist zwischen 100 und 110 % schwankt (letzterer Wert besonders oft im Nackenbereich) und Stäube aus der Luft ausgewaschen werden. Etwas anders liegt die Sache bei ausgedehnten Abbauaktionen, die aber ebenso wie die Gefahren durch Schießgase nicht Thema dieses Hefts sind.

7.2.2 Grubenwässer: Organische Stoffe

Die Erwähnungen zu diesem Thema lassen sich kurz fassen: In Freiberg und auch in anderen Gegenden des Erzgebirges enden Kloaken oft in auflässigen, oberflächennahen Grubenbauen (bezeichnet als Anzucht, Mehrzahl Anzüchte). Baue des Altbergbaus werden außerdem gern von Wildtieren als tödliche Falle oder von den zweibeinigen Tieren ohne Federn, die keine gerupften Hühnchen sind, als Sondermüllkippe und zur Entsorgung von Tierkadavern genutzt.

Das Thema organischen Lebens in Grubenwässern wurde ja schon kurz angeschnitten, ist aber noch zu wenig untersucht. Speziell Pilze sind wahre Überlebenskünstler, die aus allem Organischen etwas zu machen wissen; und wer sich munter im arsenverseuchten Wasser mit pH 5 fortpflanzt, wird wohl mit schwach konzentrierter Magensäure keine Probleme haben.

Auch bei der oben angesprochenen Schwermetallproblematik haben Organismen Ihre Hand im Spiel. Die Zersetzung der Sulfide wird wesentlich durch Bakterien (!) bestimmt, die aus dieser Umwandlung ihre Lebensenergie beziehen. Die Kombination aus biologischer und chemischer Zersetzung kann zu extrem belasteten Wässern führen. Erst seit wenigen Jahren ist bekannt, daß der pH-Wert auch in negative Bereiche absinken kann. In einer auflässigen californischen Pyritgrube wurden Wässer mit pH-Werten von –3,4 und Metallgehalten bis 200g/l gefunden [43]! Auch in sächsischen Gruben wurden schon pH-Werte von 0,5 bis 10 gemessen. Bei derartigen Konzentrationen können schon Verätzungen der Augen auftreten – also tunlichst nicht direkt von unten einen Stalagtiten anschauen.

Der kurze Sinn der vorstehenden Abschnitte: man sollte möglichst wenig Dreck schlucken, keine Grubenwässer saufen und sich spätestens zwei Tage nach der Befahrung duschen, auch wenn dies dem persönlichen Wohlbefinden erheblichen Abbruch tut. Grund zur Panik besteht aber nicht, wenn man sich die gefährlichen Dosen betrachtet, liegen diese fast alle im Grammbereich und man muß sich schon Mühe geben, um eine solche Menge aufzunehmen.

7.3 Radioaktivität - Ionisierende Strahlung

Es wird viel über Radioaktivität geredet, dabei oft zugunsten von Emotionen auf eine sachliche Diskussion verzichtet. Keiner weiß, was man davon halten soll, daß Strahlung, die im Kurbad so heilsam wirkt (je mehr je besser) in der selben Dosis im Keller Anlaß für eine sinnlos teure Sanierung sein soll. Klar gibt es einen Grund - wer verdient jeweils woran? Sehen wir es positiv! Wenn der Verruf des Erzgebirges als strahlengeschädigt dazu führt, daß es nicht zur Weihnachtsland-Bergbautradition-Kitschkulisse für wirklichkeitsfremde, fernseherzogene Konsumbürger entartet wird, sondern als Ferienregion für Normalgebliebene erhalten bleibt, ist das doch ganz in Ordnung. Im Folgenden versuchen wir einen kurzen Überblick über die Materie zu geben.

7.3.1 Radioaktivität

Radioaktivität ist die Bezeichnung für die Eigenschaft einer Reihe von Atomen, spontan unter Energiefreisetzung zu zerfallen. Die Energie wird zum Großteil in Form von Strahlung frei, die andere Atome zu ionisieren vermag. Bei der Betrachtung der ionisierenden Strahlung wird in Alpha-Strahlung (die Aussendung eines Alpha-Teilchens, das heißt eines energiereichen Heliumkerns 4/2 He, deswegen auch Korpuskularstrahlung), Beta-Strahlung (Elektronen oder Positronen) und Gamma-Strahlung (elektromagnetische Strahlung, Gamma-Photonen) sowie Röntgen- und kosmische Strahlung unterschieden, wobei die zwei letzteren Strahlungsarten die Altbergbauforschung nicht unmittelbar tangieren. Die verschiedenen Strahlungsarten unterscheiden sich in der Ausbreitung im Raum, in Luft beträgt zum Beispiel die Reichweite der Alpha-Strahlen wenige Zentimeter, sie werden schon durch eine 0,1 mm dicke Aluminiumfolie, ein Glimmerblättchen oder ein Blatt Schreibpapier vollständig zurückgehalten. Ins menschliche Körpergewebe können sie nur 0,1 mm weit eindringen. Die Reichweite und das Durchdringungsvermögen der Beta-Strahlen liegt in Luft im Meter-Bereich, im Körper im Zentimeter-Bereich. Gamma-Strahlen sind sehr energiereich und dringen weit in den Körper ein. Die Strahlenarten unterscheiden sich aber auch in ihren Auswirkungen auf den menschlichen Körper [8].

Ein Maß für die Stärke einer radioaktiven Quelle ist ihre Aktivität, die Anzahl der radioaktiven Umwandlungen pro Zeiteinheit. Einheit der Aktivität ist das Becquerel (Kurzzeichen Bq, 1 Bq = 1 Zerfall/s), welche die ältere Einheit Curie (Kurzzeichen: Ci, 1 Ci=3,7*1010 Bq) abgelöst hat. Abgeleitete Einheiten sind das Bq/g (spezifische Aktivität) und Bq/1 (Aktivitätskonzentration) [8]. Die von einem bestrahlten Körper augenommene Energiemenge, die Energiedosis D, die sich aus der Strahlenmenge und der spezifischen Energie der Strahlung ergibt, wird in J/kg angegeben: 1 Gy (Gray) = 1 J/kg = 100 rd (rad, veraltet). Die Gefährlichkeit der absobierten Energiemenge für Organismen mißt man mit der Äquivalentdosis (Kurzzeichen: Dq). Sie wird aus der Energiedosis D hergeleitet durch Dq = Q D, wobei durch den Qualitätsfaktor Q die verschieden starke Wirkung der unterschiedlichen Strahlungsarten berücksichtigt wird. Werte für Q sind 1 für Gamma-, Röntgen- und Betastrahlung und 20 für Alphastrahlung. Die Äquivalentdosis für den Gesamtorganismus bestimmt sich als Summe der mit einem Wichtungsfaktor multiplizierten Äquivalent-Dosen für die einzelnen, unterschiedlich strahlungsempfindlichen Organe. Die Einheit für die Äquivalentdosis ist 1 Sv (Sievert) = 1 J/kg (die Wichtungs- und Qualitätsfaktoren sind einheitslos). Vor 1985 gebräuchliche Einheiten und auch heute im Strahlenschutz noch gebräuchlich sind: 1 rem (röntgen equivalent man) =0,01 S, in der Wismut auch 1 WLM (working level month) ~ 0,001 S=10 mS (hier: Millisievert) ([23], [26]).

Die primäre Wirkung der Strahlung auf biologische Systeme besteht in der Auslösung chemischer Reaktionen in den absorbierenden Molekülen. Strahlenschäden sind Folge der Strahlenchemie der bestrahlten Zellen, in erster Linie durch Entstehung von Radikalen, Radikal-Ionen und Ionen in den getroffenen Zellbausteinen. Weitere Reaktionsmöglichkeiten ergeben sich als Folge der Ionisation der Moleküle. Die Folge können neben der Schädigung beziehungsweise der Abtötung von Zellen das Auftreten von Mutationen (Achtung Fortpflanzungzellen: Genie und Wahnsinn sind möglich!) und von Krebs sein, je nach angewandter Dosis und Strahlungsart. Über die klinische Wirkung hoher Strahlendosen beim Menschen weiß man heute dank experimentierfreudiger Militärs und AKW-Betreiber gut Bescheid. Ganzkörperbestrahlungen mit 1–2 Sv lösen die sogenannte akute Strahlenkrankheit aus (Erholung bei Behandlung wahrscheinlich, [23]) und Dosen >6 Sv sind im allgemeinen tödlich (Erholung unwiderruflich). Uneinigkeit herrscht noch in der Beurteilung des Gefahrenpotentials sehr niedriger Strahlendosen und insbesondere bei der Frage, ob es für die mutations- und krebsauslösende Wirkung einer Strahlung einen Schwellenwert gibt ([8], [23]).

Insgesamt ist die Abschätzung, welche Strahlendosis mit welchem kurzzeitigen und langzeitigen Gesundheitsrisiken verbunden ist, bis heute eine nur schwer zu beantwortende Frage. Wie bei allen krebsverursachenden Stoffen vom Tabakrauch bis zum Benzin gibt es keine absolute Schranke für eine „Schädlichkeit“. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Exposition (Strahlenbelastung) und der Wahrscheinlichkeit einer gesundheitlichen Schädigung. Damit ist die ganze Problematik im Zusammenhang mit sonstigen krebsverursachenden Faktoren zu sehen, und eine Wahrscheinlichkeit bleibt immer eine statistische Größe, sie besagt nichts über das konkrete Einzelschicksal.

Es gibt speziell aus den 20iger und 30iger Jahren wissenschaftlich fundierte Untersuchungen zur Heilwirkung des Radons (im Zusammenhang mit dem Aufkommen von Kuren in Radonbädern, Beispiele: Oberschlema, Bad Gastein). Auch neuere Forschungen, beispielsweise repräsentative Untersuchungen in den USA und der Schweiz, erwiesen, daß weiche Strahlung, speziell Beta- und Röntgen-Strahlung, bei niedrigen Dosen biologisch stimulierende Wirkung hat. Die durch Strahlenschäden aktivierten Reparaturenzyme reduzieren über einen Zeitraum von einigen Wochen die Anfälligkeit beispielsweise gegen Infektionskrankheiten. Dennoch wäre es unrichtig, eine Gesundheitsgefährdung durch Radon zu leugnen. Aber wer einerseits den Autobahnbau durch Stadtgebiete befürwortet, braucht andererseits keine idiotisch niedrigen Grenzwerte für Radonbelastungen in Gebieten mit erhöhter natürlicher Belastung zu setzen - es ist eben ein spezifisches Risiko unter anderen.

7.3.2 Radon - Das tödliche Strahlengas kriecht aus dem Atom-Berg!

So (oder ähnlich) sieht es der Springer-Verlag in einer den Autoren leider auf’m Scheißhaus abhanden gekommenen BILD-Ausgabe. Worum geht es in Wirklichkeit?

Radon, Rn, ist ein gasförmiges, radioaktives, zu den Edelgasen gehörendes chemisches Element mit der Ordnungszahl 86. Radon ist farb- und geruchlos und wird vom Menschen auch mit keinem anderen Sinn wahrgenommen. Es ist ungiftig und als Edelgas überhaupt äußerst reaktionsträge.

Natürlich kommt das

· Radon-Isotop 220/86 Rn in der Thorium-Zerfallsreihe (daher auch als „Thoron“ bezeichnet) mit einer Halbwertszeit T½ von 55,3 s vor, weiterhin

· 222/86 Rn als Bestandteil der Uran-Zerfallstreihe (ausgehend von 238/92 U, über  99% Massen­anteil an der natürlichen Uran­vererzung) mit T½ von 3,28 d und schließlich

· 219/86 Rn in der Aktinium-Zerfallsreihe (ausgehend von 235/92 U, ca. 0,72% Massen­anteil an der natürlichen Uran­vererzung) mit T½ von 4,00 s ([22], [23], [24]).

 Die Halbwertszeit gibt an, nach welcher Zeit die Hälte einer Ausgangsmenge zerfallen ist, nach 2*T½ ist von der verbleibenen Hälfte wiederum die Hälfte zerfallen (also sind insgesamt drei Viertel der Menge zerfallen), und so weiter.

Alle Radon-Isotope gehen unter Aussendung von Alpha-Strahlung zunächst in Polonium-Isotope und über weitere radioaktive Zwischen­stufen schließlich in stabile Bleiisotope über. Besonders wegen der an Aerosol-Partikel (Wasser­tröpfchen, Schwebe­partikel) gebundenen und daher nicht flüchtigen, stark strahlenden Zerfallsprodukte ist Radon gefährlich. Sie schlagen sich in der Lunge nieder und bilden dort Strahlenherde. Dann wirken die beim

Abbildung 49: Uran-Zerfallsreihe, ausgehend vom U238 mit über 99 Massen-% an der natürlichen Uranvererzung

Quelle: [22]

Das in dieser Zerfallsreihe entstehende 222/86 Rn verursacht den Hauptanteil an der Strahlenbelastung im Altbergbau

weiteren Zerfall entstehenden energiereichen Strahlungen direkt auf das Lungengewebe und können dort erhebliche Schäden verursachen, während sie sonst durch die Durchstrahlung der Haut schon einen Großteil der Energie verlieren (siehe Kapitel 7.3.1).

Sehr hohe Radonkonzentrationen können sich vor allem in Bauen ohne Bewetterung bilden. Da die Dichte von Radon geringer als die von Luft ist, betrifft die Problematik bevorzugt Baue im Oberflächenbereich und solche Baue, die nur durch Stölln, nicht aber durch Schächte erschlossen werden.

7.3.3 Natürliche Strahlenbelastung

Jeder ist auch über Tage einer natürlichen Strahlenbelastung (in Klammern Daten für die BRD in effektiver Äquivalent-Dosis/Jahr/Mensch) ausgesetzt, die sich ergibt aus der Einwirkung der kosmischen Strahlung (0,3–0,5 mSv), gebietsabhängig der terrestrischen Strahlung aus Gesteinen (0,2–0,5 mSv) und Baustoffen (0 für Holz oder Sandstein, 0,1–0,2 mSv für Ziegel oder Beton, 0,4–2 mSv für Granit) und der im Körper eingelagerten natürlichen Radionuklide aus den Zerfallsreihen von beispielsweise Kalium und Rubidium (1,6 mSv). Hinzu kommen Belastungen aus klinisch-diagnostischen Anwendungen, insbesondere von Röntgenstrahlen (1 mSv; 0,05–10 mSv pro Untersuchungen), radioaktivem Fallout (zur Zeit <0,01 mSv, in den 60er Jahren: 0,1–0,2 mSv), Flugverkehr (0,005–0,06 mSv, je nach Streckenlänge), Kernenergiegewinnung (0,00001 mSv), und einer eventuellen beruflichen Strahlenbelastung.

Im Durchschnitt erhält ein Einwohner der BRD aus natürlichen und zivilisatorischen Strahlenquellen eine effektive Äquivalent-Dosis von 3,2 mSv pro Jahr [8], bei einem Grenzwert für Personen aus der Bevölkerung durch künstliche Strahlenbelastung nach der Strahlenschutzverordnung von 0,3 mSv (Zitiert nach [27]). Der sehr niedrige Grenzwert verdeutlicht den Ansatz des Strahlenschutzes: die Belastung durch künstlich verursachte radioaktive Strahlenbelastung geht unter gegenüber der natürlich gegebenen Belastung, ähnlich der Ansatz im Strahlenschutz für beruflich Strahlenbelastete: Die Schädigungswahrscheinlichkeit durch Strahlung ist klein gegenüber der durch andere Berufsrisiken. Die Grenzwerte für berufliche wie natürliche Belastung beschränken sich jedoch nicht nur auf den hier wiedergegebenen Grenzwert für die Gesamtkörper-Äquivalentdosis, sondern werden untersetzt durch Grenzen für Teilkörperdosen (bezogen auf einzelne Organe), Langzeit-Grenzwerte, Unterschiede für dauernde Niedrig- und kurzzeitige Spitzenbelastung und so weiter.

7.3.4 Strahlung und Befahrung

Die für die Altbergbaubefahrung zu berücksichtigende Formen der ionisierenden Strahlung resultieren aus dem Zerfall von Uranverbindungen im Gesteinsverband oder in Lösung und aus dem Zerfall des Radons (7.3.1). Die Strahlung des Urans kann an dieser Stelle sicher vernachlässigt werden, wenn die Befahrungszeiten relativ zu beruflicher Tätigkeit berücksichtigt wird. Zudem kann man davon ausgehen, daß stark strahlende Uranvererzungen der Wismut nicht entgangen sind (ja, ja, ein paar Stellen wurden übersehen, wir wissen es ...).

Bleibt die Strahlung des Radons. Kiefer gibt in [23] für eine Radonkonzentration von 1 700 Bq/m³ und Daueraufenthalt eine Lungendosis von 425 mSv/Jahr an. Umgerechnet entspricht dies bei 250 000 Bq/m³ und 10 Stunden Befahrung eine Lungendosisvon 71 mSv. Der Grenzwert für die Lungendosis bei beruflich strahlenexponierten Personen liegt nach der bundesdeutschen Strahlenschutzverordnung (Zitat nach [23]) bei 150 mSv/Jahr. Unter diesen Umständen dürfte man sich also zwei solcher Befahrungen je Jahr noch ohne Gewissensbisse wegen der Strahlung genehmigen. Die Aktivitätskonzentration von 250 000 Bq/m³ ist die höchste den Autoren aus dem Erzgebirges bekannt gewordene.

Auch unter Tage dürften sich selten höhere Konzentrationen einstellen, wenn man sich den Bildungsweg vergegenwärtigt. Radon entsteht aus dem Zerfall im Gestein vorliegenden oder in Lösung gegangenen Urans. Es muß zunächst in die Grubenatmosphäre entweichen und sich dort lediglich aufgrund der Dichteunterschiede anreichern, wobei bereits zerfallenes Radon wieder auszusortieren wäre. Andererseits muß dazu gesagt werden, daß eine Aktivitäts­konzentration von 250 000 Bq/m³ einer Radonkonzentration von lediglich 5,9*10-13 Vol-% entspricht, also ein Radonatom auf 42 Millionen Millionen Millionen anderer Atome. Hinwiederum nach [27] betrug die Exposition eines Abbauhauers durch kurzlebige Radonfolgeprodukte im Wismut-Objekt 09 (Grubenbetrieb Aue) maximal 200 WLM/Jahr ~ 2 Sv/Jahr beziehungsweise. 0,008 mSv/ 10 h (bei 250 Tagen je 10 h), bei aktiver Förderung, das heißt einer großen Emmissionsfläche für Radon, und ohne wettertechnische Maßnahmen. Als Maximalwert wird, für den BB Schmirchau, eine Belastung durch kurzlebige Radonfolgeprodukte von 375 WLM ~ 3,75 mSv genannt. Auch die an Lungenkrebs (der „Schneeberger Krankheit“) gestorbenen Alten waren vorher etliche Jahre durchgehend in natürlich bewetterten Gruben tätig, trotz Radonbelastung und zusätzlicher Belastung durch den strahlenden Gesteinsstaub in der Lunge.

Letztendliche Sicherheit über die stattgefunden Radonbelastung erhält man nur durch Mitführen eines Nachweisgerätes (siehe Kapitel 9.1.3). Insbesondere beim Vordringen in bisher vom Wetterstrom abgeschottete Bereiche oder bei intensiver Befahrungstätigkeit wäre das sicher nicht verkehrt. Statistisch abgesicherte Daten liegen den Autoren nicht vor. Aus dem Vorstehenden glauben die Autoren jedoch den Schluß ziehen zu können, daß die Strahlenbelastung nicht daß größte Risiko bei der Altbergbaubefahrung ist.

Für weitergehende Interessen gibt es ein breites Literaturangebot, wissenschaftlich fundiert zum Strahlenschutz und die Komplexität des Gebiets verdeutlichend zum Beispiel [27], unverkrampft und allgemeinverständliche Grundlagen in [23].